Richard-Glimpel-Schule, Hersbruck
Teresio Olivelli – einer, der sich für andere einsetzte. Ein Projekt aus dem Religionsunterricht
In ihrem Unterrichtsprojekt beschäftigen sich die Schüler/innen der Richard-Glimpel-Schule mit einem Häftling, der im KZ Hersbruck ums Leben kam. Sie entdecken einen besonderen Wesenszug an Teresio Olivelli: Er setzte sich immer wieder für andere Mithäftlinge ein. Die Schüler/innen formulierten ein fiktives Interview, befragten Menschen aus ihrer Umgebung und gestalteten eine kleine Ausstellung. Der Projekt gewann einen Bundespreis beim Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten und wurde im bayerischen Fernsehen vorstellt.
Der Religionspädagoge Volker Linhard berichtet darüber:
Wie alles begann
Alles begann im Herbst 2014 als der Verein Dokumentationsstätte KZ-Hersbruck die Aktion „Einen Häftling in die Stadt holen“ bekannt machte. Dabei konnten sich Schulklassen und Einzelpersonen mit einem ehemaligen Häftling des KZ-Außenlagers Hersbruck beschäftigen und die Ergebnisse in den Schaufenstern der Innenstadt ausstellen. Mich hat diese Aktion gleich angesprochen und ich musste sofort an den italienischen Widerstandskämpfer Teresio Olivelli denken, der im KZ Hersbruck ums Leben kam. Die äußeren Bedingungen im Förderzentrum, wo ich unterrichte, waren sehr günstig. Ich hatte eine verkleinerte Unterrichtsgruppe, da einige SchülerInnen parallel eine Streitschlichter-Ausbildung absolvierten. So konnte ich meine 6. Klasse schnell für die Aktion begeistern.
Die Konzentrationslager des Hitler-Regimes
Für die Umsetzung beschäftige mich die Frage: Wie kann ich bei meinen Schülern ein Geschichtsbewusstsein anbahnen? Ich zeichnete eine Zeitleiste an die Tafel und markierte die Geburtstage der Schüler. Damit waren wir immer noch im 21. Jahrhundert. Dann erweiterten wir die Jahreszahlen auf die Geburtstage der Eltern und Großeltern, ggf. Urgroßeltern. So kamen wir in der Zeit um einiges zurück. Wir blätterten dann in dem großen Bildband „Chronik der 20. Jahrhunderts“ und suchten die weiteren Geburtstage. Manches war den Schülern bekannt. Der Mauerfall oder die Mondlandung. Nun wurden die Bilder schwarz-weiß. Ein untrügliches Zeichen für eine längst vergangene Zeit. Plötzlich tauchten Bilder vom Krieg und von Adolf Hitler auf, jetzt waren die Schüler wieder ganz bei der Sache und wussten auch einiges zu erzählen. Anhand der Bilder erklärte ich ihnen, was ein Konzentrationslager ist und wer dort hinein kam. Die Schüler erfuhren, dass es auch in Hersbruck solch ein KZ als Außenlager von Flossenbürg gab.
Der Verein Dokumentationsstätte KZ-Hersbruck hat auf seiner Homepage viel anschauliches Material zu diesem Thema zusammegetragen. Gemeinsam klickten wir uns mit dem PC durch die Informationen und Bilder. Auch Podcasts der Herbrucker Gymnasiasten auf der Homepage des Bayerischen Rundfunks unterstützten dieses Anliegen.
Teresio Olivelli – ein Gegner des Nationalsozialismus
Ich erzählte von Gegnern des Hitlerregimes und dann auch von dem Italiener Teresio Olivelli. Er war anfangs ein überzeugter Anhänger von Mussolini, der dann aber durch die Erfahrungen des Krieges seine Meinung grundlegend änderte. Er wurde zum entschiedenen Gegner des Nationalsozialismus und gab unter anderem eine Untergrundzeitung heraus. Sehr bekannt wurde sein Gebet des Rebellen, das der gläubige Katholik formulierte und das vielen Gefangenen Trost spendete. Hier ein Auszug:
„Herr, du hast unter den Menschen dein Kreuz aufgerichtet
als Zeichen des Widerspruchs.
Wir sind unterdrückt sind durch ein schweres und grausames Joch.
Gib uns die Kraft zu Rebellion.
Gott, du bist Wahrheit und Freiheit,
mach uns frei und wach.
Je mehr der Feind uns bedrängt, desto aufrichtiger und reiner lass uns sein.
Verschließe unsere Lippen, wenn man uns foltert.
Wache du über unsere Familien.
Aus den Tiefen der Kerker rufen wir Dich an:
Lass den Frieden in uns sein, den nur Du geben kannst.
Gott des Friedens, erhöre das Gebet von uns Rebellen aus Liebe.“
Anhand eines selbst zusammengestellten, einfachen Lebenslaufes beschäftigen wir uns mit seinem Werdegang. Von seinen jungen Jahren in Bellagio bis zu seiner Verhaftung, seinem Transport in das KZ Flossenbürg und zu seiner Zeit im Außenlager von Hersbruck. Dort starb er am 17. Januar 1945 durch Fußtritte eines Aufsehers. Er hatte sich für einen Mitgefangenen eingesetzt und sich so den Unmut der Wachmänner zugezogen. Dies war ein besonderer Wesenszug des frommen Katholiken. Er setzte sich immer wieder für andere ein: Als Gebirgsjäger für seine Kameraden im Krieg, als Widerstandskämpfer für seine Mitgenossen und als Häftling für die anderen Gefangenen. Immer wieder stand er seinen Mithäftlingen hilfreich zur Seite, teilte seine mageren Brotrationen und setzte sich für Verurteilte ein. Aufgrund seiner Sprachkenntnisse war er zwei Wochen Barackenältester, wurde von den SS-Wachmannschaften aber ersetzt, da er seine Mitgefangenen zu gut behandelte. Der 97jährige Italiener Vittore Bocchetta, der als einer der letzten Häftlinge heute noch lebt, verdankt ihm sein Leben.
Eine kleine Ausstellung entsteht
Ausgehend von dem Lebenslauf entwarfen Nátálie, Kristýna, Lukas, Vanshak und Tobias ein fiktives Interview mit Olivelli. Außerdem druckten wir sein Gebet des Rebellen auf großformatige Plakate und gestalteten Bilder zum Konzentrationslager Hersbruck. Und schließlich interviewten die Projektteilnehmer noch Menschen aus ihrem Bekanntenkreis und ihrer Nachbarschaft zum Thema „Sich für andere einsetzen“. Meine SchülerInnen waren beeindruckt von diesem Einsatz für andere bis zum Letzten.
Wir stellten unsere Texte, Plakate und Bilder zu einer kleinen Ausstellung zusammen, die dann zwei Wochen im Schaufenster der örtlichen Buchhandlung gezeigt wurde. Doch damit war unsere Aktion nicht zu Ende. Meine SchülerInnen beteiligten sich am Gottesdienst zum Gedenktag der Opfer das Nationalsozialismus in der Hersbrucker Spitalkirche am 27. Januar, trugen den Lebenslauf Olivellis vor und zitierten aus ihren Interviews. In diesem Gottesdienst war auch der Zeitzeuge Vittore Bocchetta anwesend, der von Olivelli als einem Engel sprach, dem er sein Leben verdankt. Unsere kleine Ausstellung „wanderte“ danach durch viele Hersbrucker Einrichtungen: Finanzamt, Stadtbücherei, Amtsgericht, Rathaus, Raiffeisenbank, Gymnasium … wir hätten es einfach schade gefunden, wenn unsere Arbeit nach den zwei Wochen irgendwo verstaubt wäre.
Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten
Vom Doku-Verein KZ Hersbruck erfuhren wir von der Möglichkeit, an einem Wettbewerb teilzunehmen. Wir dokumentierten also unser ganzes Unterrichtsprojekt und reichten es beim Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten ein, der von der Körber-Stiftung organisiert wird. Unser Beitrag war als anschaulicher Brief an Herrn Gauck gestaltet, in dem wir ihm von unserer Aktion und unseren Lernerfahrungen erzählten, angereichert mit vielen Bildern und Texten. Im Mai erhielten wir dann die freudige Nachricht vom Gewinn eines Landespreises Bayern, gemeinsam mit 12 weiteren Schulen. Zur Preisverleihung waren wir im historischen Rathaussaal in Nürnberg eingeladen und meine SchülerInnen empfingen ihre Siegerurkunden aus der Hand des Bürgermeisters Klemens Gsell. In einem zweiten Durchgang ermittelte eine weitere Jury die Preise des Wettbewerbs auf Bundesebene. Hier gewannen wir einen von 15 zweiten Bundespreisen. Wohlgemerkt als sonderpädagogisches Förderzentrum in Konkurrenz vor allem mit Gymnasien, Real- und Berufsschulen. Wir sind glücklich über diesen stolzen 2. Preis, verbunden mit 1000 Euro Preisgeld. Den gesamten Betrag haben wir für ein Schulprojekt der Kinderhothilfe in Haiti gespendet, das nach dem Erdbeben vor sechs Jahren immer noch auf Hilfe angewiesen ist.
Gedenkakt des bayerischen Landtages
Aber es ging noch weiter. Im November wurde ich angefragt, ob meine Klasse ihr Projekt bei der Gedenkveranstaltung des bayerischen Landtages vorstellen will. Jedes Jahr gibt es diesen Gedenkakt zum Tag der Opfer des Nationalsozialismus in einer anderen Stadt, dieses mal in Hersbruck. Natürlich waren meine SchülerInnen wieder gerne dabei, auch als sie erfuhren, dass die Veranstaltung live im bayerischen Fernsehen übertragen wird. Wir übten das Vorlesen so gut es ging. Bei der Generalprobe sah ich die Hersbrucker Gymnasiasten, die für ihren Beitrag extra einen Schauspieler engagiert hatten und war ziemlich entmutigt. Wie können wir da mithalten? Letztlich war es aber gut so, wie meine SchülerInnen diese Veranstaltung gemeistert haben. Nicht perfekt, aber sehr authentisch. Das haben mir viele Teilnehmer bestätigt und es hat mich am Ende doch darin bestärkt, die Kinder nicht zu „dressieren“. Wir sind halt so wie wir sind – und das ist gut so. Wir Lehrkräfte im Bereich der Sonderpädagogik sollten uns dies immer wieder neu zu Herzen nehmen.
Fazit
Für mich war es insgesamt eine große Genugtuung zu sehen, wie meine Förderschüler sich in dem Wettbewerb gegenüber anderen Schularten behaupten konnten. Sie haben gezeigt, dass sie zu guten praktischen Leistungen imstande sind und aus ihrer Betroffenheit heraus ein Thema anschaulich und kreativ präsentieren können. Dabei haben sie außerdem noch wichtige Kompetenzen erlernt, die ihnen auch im späteren Leben von Nutzen sein können. Projekt- und handlungsorientiertes Lernen kommt unseren Förderschülern sehr entgegen. Vor allem, wenn man damit auch noch einen Preis gewinnt und ins Fernsehen kommt.
Weitere Informationen
Volker Linhard, Religionspädagoge, M. A., Seminarleitung
Wilhelm-Spaeth-Str. 67, 90461 Nürnberg, E-Mail Volker.Linhard@elkb.de
PDF zum Projekt